Preisbindung erlöse uns
Sorry, English readers, this topic calls for German since it concerns the German law regulating book prices.
Gestern auf der Leipziger Buchmesse habe ich einen interessanten Vortrag von Anwalt und Preisbindungstreuhänder Dieter Wallenfels gehört. Schon den Titel fand ich höchst interessant:
Man kann hier nicht verkennen, wieviel Angst und Bangen hinter diesem Titel steckt. Ich wollte eigentlich sehen, ob Wallenfels die (nicht ganz so) “neuen Technologien” oder eher die Preisbindung betonen würde. Als Preisbindungstreuhänder, hätte ich von Wallenfels erwartet, er würde in erster Linie von der Buchpreisbindung reden, und er hat nicht enttäuscht.
Man könnte seine Rede so grob zusammenfassen: das gedruckte Buch und der Buchhandel kann sich nur mit Hilfe der Preisbindung behaupten, und eBooks müssen deswegen der Buchpreisbindung unterworfen werden. Das ist natürlich keine neue Botschaft. Wallenfels findet es möglich, dass man verhindern könnte, dass eBooks aus dem Ausland nach Deutschland verkauft werden könnten, also vermutlich mit DRM, was natürlich die Rechte der Konsumenten grob missachtet. Wallenfels erzählte auch von persönlichen Gesprächen mit einem ihm befreundeten Richter vom Bundesgerichtshof, der der Meinung ist, eBooks sind auf jeden Fall preisbindungsfähig. Diese Nachricht fand die Moderatorin erfreulich. Ich war dagegen ziemlich empört, dass ein Justiziar des Börsenvereins von seinen freundschaftlichen Gesprächen mit der höchsten deutschen Rechtsinstanz in aller Öffentlichkeit redet. Das ist meines Erachtens keine Justiz, sondern eher Klientelpolitik. Haben die Verbraucherschutzorganisationen auch diesen Zugang? Wohl kaum.
Im Laufe seiner Rede hat Wallenfels auch Open Access erwähnt, und in diesem Zusammenhang locker mit Tatsachen gespielt. Wallenfels hat die externen Gefahren für den Buchhandel aufgelistet (wobei OA doch eher eine “Gefahr” für STM-Verleger als für den Buchhandel ist), und nachdem er Open Access als gefährlich bezeichnet hatte, deutete er unverkennbar an, dass Open Access ein Verstoß gegen Urheberreicht sei. Genau gesagt hat er OA-Werke als “bisher urheberrechtlich geschützte Werke” bezeichnet. Dass ein Anwalt, der eng mit dem Börsenverein arbeitet, so locker grobe Unwahrheiten verteilt, sollte nicht besonders überraschen. Wer aber nicht weiß, oder besser gesagt nicht wissen will, dass Open Access eigentlich recht wenig mit Urheberrecht zu tun hat (zumindest nicht in dem Sinne, den Wallenfels hier meint), verdreht nur die Wahrheit.
Panische Branchenexistenzangst kenne ich sehr gut als Bibliothekar. In den letzten fünfzehn Jahren redet man permanent vom Untergang der Bibliotheken. Jetzt aber stellen wir fest, dass wir nicht nur noch da sind, sondern dass wir ganz neue Aufgaben entdeckt haben und orientieren uns (endlich!) an die Zukunft statt uns an der verlorenen Vergangenheit fest zu klammern. Was man in solchen Zeiten braucht, wäre Innovation und Experimentierfreudigkeit. Die Hoffnungen an der Gesetzgebung zu knüpfen kommt mir als eine schlechte Überlebensstrategie vor.
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Über die Behauptung “Open Access sei ein Verstoß gegen das Urheberrechtgesetz” bin ich entsetzt. Hier werden die Dinge vermischt, die nichts miteinander zutun haben (Publikationsform, Zugang, Urheberschaft). Man kann da eigenlich nur noch den Kopf schütteln, vor allem, weil Herr Wallenfels die Aufgabe hat, umfassend und richtig zu informieren. Aber darüber hinaus wird in der “Realität” gerade ein anderer Weg gegangen, zu mindest in Teilen der Wissenschaft, Bibliotheken und auch in Ansätzen bei den Verlagen.
Entsetzt war ich auch. Unverschämt, so zu kombinieren.
Ich bin in der Lage die Probleme von mehreren Seiten aus zu betrachten. Ich bin Bibliothekar, freier Lektor für Autoren aber auch kleine Verlage und mir gehört die Hälfte einer Buchhandlung und kann dazu folgendes schreiben: Wie allgemein bekannt sein dürfte sind die Buchpreise in den letzten zehn Jahren explodiert und zwar nur in D, CH, A, woran also nicht zuletzt die Buchpreisbindung schuld ist ob nun der Euro die Initilalzündung war oder irgendein andere Faktor ist erst mal egal es ist eine Tatsache und der normale Deutsche riecht natürlich wieder mal eine Abzocke die teilweise auch gegeben ist weil das System auf kleinere Verlagsgrößen als heute vielfach üblich und personalintensive Buchhandlungen abzielt, Großverlage und Einzelhandelsketten wie real oder die Bahnhofsbuchhandlungen verdienen sich eine goldene Nase an der verhältnismäßig hohen EK-VK Differenz. Also versuchen sich die Leute die sich über den Tisch gezogen fühlen natürlich mit allen Mitteln an billigeren Alternativen wobei die Neuen Medien und neue Urheberrechtsmodelle natürlich eine große Hilfe sein können. Der Buchhandel gerät immer mehr unter Druck und der Börsenverein beginnt langsam wild um sich zu schlagen. in verzweifelten Situationen bleibt natürlich die Wahrheit als erstes auf der Strecke und eine gute Mischung aus Wahrheit, Halbwahrheit und Lügen war schon immer das Mittel der Wahl wenn es um Stimmungsmache geht, so macht es die Politik, so macht es die Kirche und so macht es die Wirtschaft. Das Warum ist also geklärt.
Ich denke wir brauche eine grundlegende Reform der Buchpreisbindung die verhindert das sich einige Haie den Wanst vollschlagen während große Teile der Branche am Hungertuch nagen. Wir haben in Deutschland eine einzigartige Vielfalt an Verlagen und kleinen spezialisierten Buchhandlungen die es zu bewahren gilt. Eine generelle Senkung der durchschnittlichen Buchpreise ist nötig und wird von alleine große Teile der Ausweichbewegung auf neue Medien eleminieren und auch ausländische eBooks können dann trotzdem noch ohne große Probleme in die deutsche Markt- und Preislandschaft integriert werden. Technische Möglichkeiten an illegale und damit kostenlose Kopien zu kommen wird es immer geben und sehe ich mittlerweile als gottgegeben an.
Aber eins ist sicher. Mir hat man schon als ich anfing Bibliothekswesen zu studieren das Ende meines Berufstandes vorrausgesagt aber ich weiß sowohl aus der Bibliothek als auch aus dem Buchhandel das die Menschen lieber mit einem Buch auf der Couch liegen als mit einem Notbook oder einem immer noch unverhältnismäßig teuerem eBookreader.
Sachbücher werden einen weiteren Einbruch erleben aber das lässt sich nicht verhindern da Datenbanken, Computerlexika und das Internet für die Wissensverbreitung und vor allem -aufbereitung einfach besser geeignet sind als Bücher. Das muss selbst der enthusiastischste Bibliophile zugeben. Aber ich verkaufe in meinm Laden schon lange den Brockhaus auf DVD und biete auf der Homepage meines Ladens jede Menge kostenpflichtige Datenbankzugänge und Downloads an, was wunderbar funktioniert und mittlerweile 20 Prozent meines Umsatzes ausmacht. Wenn sich also der Buchhandel mit wandelt und die neuen Medien als Chance begreift könne wir die zu großen Teilen hausgemachte Krise gut überwinden.
Seraquael
@Seraquel: Dass Bücher in D/A/CH in den letzten Jahren explosionsartig teurer geworden sind, ist nicht richtig. Ein klassischer Belletristik- oder Sachbuchtitel kostete vor der Euro-Umstellung als Hardcover in der Regel zwischen 39,90 und 48,- DM, bis heute wagen nur wenige Verlage, die Preisschwelle von 20,- Euro zu überschreiten. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Bücher werden viel zu billig verkauft. Der Verkaufspreis, von dem den Verlagen durchschnittlich nur die Hälfte bleibt, um sämtliche Kosten, die auf dem Weg von der Kreation bis zur Verkaufsförderung eines Buchtitels ausschließlich auf Seiten des Verlages anfallen, zu begleichen, spiegelt weder die in den vergangenen zehn Jahren gestiegenen Kosten der Verlage, die deutlich gestiegenen Buchhandelsrabatte noch die Inflationsrate oder andere zur Preisfestlegung hinzuzuziehende Faktoren auch nur annähernd wieder.
@Herr Witkowitz: Sachlich falsch. Ich weiß nicht für welchen Verlag Sie arbeiten aber der durschnittliche Preis für einen Hardcover beträgt schon lange 21,90€, Topseller sogar 24 selbst ein 150 Seiten Donna Leon Krimi (Softcover) ist nicht mehr unter 22 € zu haben von den schwindelerregenden Preisen der meisten Sachbücher gar nicht zu reden. Und bei Taschenbüchern wird richtig zugeschlagen. Bereits unmittelbar nach der Euroumstellung gab es praktisch kein neues TB unter 9,90 € mittlerweile 12 € mehr wobei vorher für die selben Autoren und Umfänge, teilweise sogar Titel eine Preisspanne von 8,90DM bis 16,80 DM normal waren. Es gab und gibt also massive Preiserhöhung von tw. über 100% zwischen zwei Auflagen des selben Titels. Die Inflationsanstiege die lt. des statistischen Bundesamtes seit der Euroeinführung immer unglaublich niedrig gewesen sein sollen sind also mehr als abgedeckt. Die Buchhandelsrabatte, insbesondere der großen Verlage sinken seit 1990 kontinuirlich und sind mittlerweile bei deutlich unter 40 % angekommen. Die Gewinnspannen, insbesondere der großen Verlage, haben nie geahnte Höhen erreicht und steigen weiter. Denn selbst wenn, wie sie angeben, nur die Hälfte des Verkaufspreises, und es sin 5 bis 10 Prozent mehr, bei denen hängen bleibt bedeutet das außer bei den drei Autoren die noch hohe Tantiemen bekommen einen Reingewinn von mindestens 20%. Ich als klassischer Buchhändler habe mit durschschnittlich 35 prozentigen EK-VK Differenz, ausschließlich auf Bücher runtergerechnet, nur einen Reingewinn von 2-3 Prozent weil ich viel mehr Personal und Verkaufsfläche als andere Einzelhändler vorhalten muss, nicht zu vergessen die Kosten der Schnelllieferdienste und den fünf Aushilfen die ich zu Schuljahres- und Semesterbeginn einstellen muss. Die Zusatzeinnahmen für diesen Bereich werden von den zusätzlichen Personalkosten mittlerweile aufgefressen und ich biete das nur noch als Serviceleistung an. Effektiv verdiene ich daran kein Geld mehr obwohl ein Schulbuch heute im Schnitt 150 Prozent teurer ist als vor der Euroumstellung. Bleibt alles bei Cornelsen und Co. Wenn die Verlage so weitermachen gibt es bald nur noch Buchkaufhäuser und Bahnhofsbuchhändler ohne Beratung wie in den USA und dann ist das Gebrülle groß.
Gruß Sera
Viele gute Gedanken, Seraquael. Ihren Schluß finde ich genau richtig: mitwandeln. Das ist immer die richtige Antwort. Dagegen stemmen möchte zwar das Schicksal aufschieben, ist aber letztendlich Sisyphusarbeit.
@Seraquel: Ich weiß nicht, ob Sie in Ihrer Buchhandlung den »Buchreport« lesen, aber ein Blick auf die aktuelle Bestsellerliste zeigt, dass im Hardcover (Belletristik und Sachbuch) 30% der Top-20 über 20,- Euro kosten, alle anderen Titel – teilweise deutlich – unter 20,- Euro liegen. Gleiches gilt für den Bereich Taschenbuch, hier liegt bei gerade einmal 20% der Top-20 der Ladenpreis über 10,- Euro. Die Inflationsrate über die letzten zehn Jahre beträgt jährlich durchschnittlich 1,64%. Ein Taschenbuch zu 16,80 DM aus dem Jahr 2000 müsste also allein inflationsbereinigt um 2,76 DM teurer sein, Lohnsteigerung und alle weiteren faktischen Preiserhöhungen (Produktionskosten – beispielsweise ist der Papierpreis in diesem Jahr um etwa 30% gestiegen) außen vor gelassen. So kommen wir in etwa auf einen Euro-Preis für dieses Taschenbuch von 9,76. Sie sehen, Ihre gefühlte Wahrheit lässt sich faktisch nicht bestätigen. Und selbst wenn, wären wir rein rechnerisch noch immer nicht bei einer Erlössteigerung in dem von Ihnen behaupteten Maß, sondern lediglich bei kopstendeckender Preisgestaltung.
Der Durchschnittsrabatt errechnet sich aus allen Umsätzen mit allen Kunden und liegt deshalb über alle Verlage gesehen bei etwa 50%, da – wie in allen Branchen – auch im Buchhandel die Pareto-Regel gilt und Umsatzvolumen sich auf die Einkaufspreise (Rabatte) auswirkt.
Ich weiß nicht, welche drei Autoren Ihrer Meinung nach wie hohe Tantiemen bekommen, Tatsache ist jedoch, dass je nach Ladenpreis, Buchform, Autorenbekanntheit, Verkaufsauslage etc. durchschnittlich zwischen 4 und 12% des Netto-Ladenpreises als Absatzhonorar anzulegen sind.
Der Reingewinn eines Verlages, also der DB II nach Abzug aller Titelkosten, Autorenhonorare, Vertriebskosten, kann gar nicht bei 20% liegen: Ladenpreis minus 7% MWST ist Netto-Ladenpreis, davon jeweils minus ca. 47,5% Handelsrabatt, minus ca. 5% Vertreterprovision, minus ca. 8 – 10% Auslieferung, minus ca. 8-12% Honorar, minus (je nach Buchform) ca. 20 – 30% Herstellkosten, da bleibt für den Verlagsapparat (Kreation, Produktion, Marketing und Werbung, Presse, etc.) in keinem Fall ein Ertrag von 20% übrig. Zu beachten ist: diese Rechnung geht nur dann auf, wenn die kalkulierte und produzierte Auflage – das alleinige Verlagsrisiko! – ausverkauft wird, was in den seltensten Fällen stattfindet. Der Handel weicht auf verkäuflichere Ware aus, der Verlag hat diese Chance nicht, er hat seine feste Titelauswahl pro Programm.
Die Marge des Verlages liegt auf mit dem Buchhandel vergleichbarem Niveau bei – auch aufgrund der langfristigen Vorfinanzierung bis hin zu den monatelangen Zahlungszielen des Buchhandels und dem uneingeschränkten Rückgaberecht, das dem Buchhandel eingeräumt wird – höherem Kosteneinsatz und höherem unternehmerischen Risiko. Warum sonst werden/wurden über die Jahre wohl zahlreiche Buchhandlungen als auch Verlage in größere Unternehmen eingegliedert und/oder wurde Personal stark abgebaut? Weil das finanzielle Polster aufgrund hoher Renditen ausreichte? Eher nicht. Auf beiden Seiten.
Ihre Mischkalkulation teilen Sie mit dem herstellenden Buchhandel, denn auch dort finanziert mitunter ein Erfolg ein oder mehrere Verlagsprogramme quer.
Dies nur zu den überprüfbaren Fakten.
Ausländische Händler müssen sich nicht an die Buchpreisbindung halten.
Konsequenz: Ich bestelle deutsche Bücher jetzt aus Großbritannien, trotz internationalem Versand spare ich unterm Strich oft noch 5-25%. Es gibt einige Onlinehändler aus UK, die sich auf sowas spezialisiert haben.
Denn diese Form von staatlicher Klientelpolitik will ich nicht wirklich unterstützen. Hier soll auf Kosten der Verbraucher ein Strukturwandel verhindert werden, der eigentlich nicht abzuwenden ist. Auch in Ländern wie Schweden, der Schweiz oder Großbritannien ist die Lesekultur äußerst lebendig, auch ohne Buchpreisbindung.
Dem kann ich nur zustimmen. Verbraucherrechte und -tendenzen werden zu leichtsinning ignoriert.